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Whataboutism In Beziehungen

Wenn plötzlich Argumente kommen, die gar nichts mit dem eigentlichen Konfliktthema zu tun haben: Whataboutism in Partnerschaften ist ebenso wenig zielführend wie im gesellschaftlichen Diskurs. Was ist Whataboutism in Beziehungen und wie entgehen Sie der Falle?

Was ist Whataboutism?

Im Diskurs in sozialen Medien und in der Politik ist heute „Whataboutism“ allgegenwärtig. Jemand beschwert sich über einen – seiner Meinung nach – unhaltbaren oder zumindest dringend veränderungsbedürftigen Zustand und ein Gesprächspartner kontert mit einem ganz anderen Thema. Dadurch wird der angesprochene sowieso schon schwer lösbare Konflikt um noch einen weiteren Konflikt erweitert, der zunächst mit dem aktuellen Anlass gar nichts zu tun hat.

Whataboutism im Beziehungsstreit

„Du hast schon wieder vergessen, …“
„Ja, aber du hast doch letztens …“
„Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun …“
„Doch, das hast du nämlich ständig gemacht und jetzt meckerst du mich an, wenn ich …“

Dieses Gespräch muss man nicht zu Ende hören, um zu wissen, wie es wohl ausgehen wird. Spoiler: Es wird garantiert keinen Partner zufrieden hinterlassen. Dafür aber frustriert und mit dem Gefühl ungehört und unverstanden und zurückgewiesen zu sein. Und nicht nur für den Moment ist das schmerzhaft, auch für die Zukunftsperspektive der Beziehung sind solche frustrierenden Auseinandersetzungen wahres Gift. Denn wenn Aussprachen so ablaufen, dann verlieren beide Partner die Zuversicht, dass Konflikte gelöst und dass Probleme bewältigt werden können. Ohne diese Zuversicht werden sie mittel- und langfristig nicht mehr in ihre Beziehung investieren. Das wird automatisch zu einer Distanz zwischen ihnen führen und damit das Bedürfnis nach wahrer Nähe verstärken. Sind die Partner dann irgendwann überzeugt diese Nähe sei nicht mehr herzustellen, werden sie Bindung außerhalb der Beziehung suchen – und finden.

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Starke Emotionen führen Whataboutism

Und man fragt sich: Wozu? Um von einem Gedanken abzulenken, der für starke Emotionen sorgt. Durch ein Argument, das ebenfalls für starke Emotionen sorgt. Erregung wird mit Empörung gleichgestellt und ebenso Themen, die solche Gefühle auslösen. Eine Eskalation der Hilflosigkeit.

Werden Menschen angegriffen, dann reagieren Sie mit Gegenangriff, Flucht oder Schockstarre. Das hat damit zu tun, dass diese reflexartigen Reaktionen evolutionär erfolgreich waren bevor in unseren Gehirnen die Regionen entwickelt wurden, die fürs Analytische und den Vergleich zuständig sind. Bevor man sich also besinnen kann darauf, wie man in einer ähnlichen Situation früher reagiert hat und damit den Konflikt deeskalieren konnte, hat das „Reptiliengehirn“ längst zurückgeschlagen.

Auch Kritik ist immer eine Art Angriff, die nicht körperlich ist, aber den Selbstwert der kritisierten Person verletzt. Je stärker der Angriff, umso heftiger die Reaktion. Je niedriger der Selbstwert bereits zuvor war, umso hilfloser die Gegenmaßnahmen – aber oft umso gnadenloser.

Whataboutism in Beziehungen zeigt Hilflosigkeit

Einer der vier „apokalyptischen Reiter der Paarkommunikation“ ist Verteidigung. Wer kritisiert wird und in seinen Antwortsatz irgendwo „aber“ einbaut, der nimmt die Meinung des anderen nicht wirklich an, sondern relativiert. Und genau das geschieht bei Whataboutism.

Die Folge: Der Kritisierende fühlt sich nicht ernstgenommen mit seinen Sorgen und Ängsten – und legt nochmals nach. Entweder indem er nochmals zu erklären versucht, was er meinte, oder indem er weiter ausholt und die Kritik verschärft. In nahezu keinem Fall wird es dadurch zu einer Annäherung kommen, die Beziehungskrise nimmt ihren Lauf, denn nun sind die Fronten erst recht verhärtet und der Konflikt wird garstig.

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Wie kommt man raus aus dem Whataboutism? Mit Deeskalation

Deeskalation ist leichter gesagt als getan. Aber Deeskalation fällt nach der ersten Angriffswelle erheblich leichter als nach der zweiten, weil die fast immer bereits heftiger ausfallen wird ist als der erste. Streitende sollten immer daran denken, dass Worte, die erst einmal ausgesprochen wurden, nicht zurücknehmbar sind. Und dass der Ausgang jeden Konfliktes in den ersten Momenten entscheiden wird. So wie Sie einsteigen, so steigen Sie vermutlich aus.

Den Kreislauf unterbrechen Sie, wenn Sie die Kritik vor allem erst einmal annehmen. Sie müssen nicht der gleichen Meinung sein, aber auf jeden Fall bemerken Sie ja, dass Ihr Partner aufgewühlt ist und genau das sollten Sie zum Ausdruck bringen. „Ja, das verstehe ich, dass du dich darüber ärgerst.“ Damit nehmen Sie Ihren Partner und seine Gefühle ernst. Danach können Sie noch hinzufügen: „Was wünschst du dir, was ich mache?“ Und dann sind Sie bereits in der Verhandlung über den Konflikt.

Das bedeutet nicht, dass Sie jeden Angriff und jede Kritik hinnehmen müssen. Sie dürfen gerne sagen, dass Sie sich ungerecht behandelt fühlen, weil sie den Konflikt ganz anders empfinden – aber das machen Sie NACHDEM Ihr Partner seine Argumente und seine Sicht vorgetragen haben. Sie schießen NICHT sofort zurück und schon gar nicht mit einem Vergleich, der sowieso nur hinken kann.

Whataboutism ist nicht nur im gesellschaftlichen Diskurs die Pest. Whataboutism ist auch in der Paarkommunikation eine Nebelbombe, die vor allem gezündet wird, wenn die vorangegangene Kritik auf einen niedrigen, verletzten Selbstwert und damit auf Hilflosigkeit getroffen ist. Das ist schon in den Kommentarspalten schwer zu ertragen und führt dort ja auch sichtlich zu nichts. Zuhause können Sie darauf ganz sicher ebenfalls verzichten.

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Eric Hegmann ist Paartherapeut und Autor. In seiner ARS Serie "Die Paartherapie" und im gleichnamigen NDR Podcast begleitet er echte Paare. Er ist Co-Gründer der Modern Love School .

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