Hallo Anonym,
danke für die Schilderung. Ich bedaure, dass Sie eine solch schmerzhafte Situation erlebten. Eine Zurückweisung zu erhalten, ist immer eine Verletzung und die meisten Menschen fühlen sich in diesem Moment sehr hilflos.
Ihre Frage, ob Sie ihm Freiraum geben sollen, möchte ich nicht für Sie entscheiden, das dürfen Sie tun. Vielmehr möchte ich Sie dabei unterstützen zu prüfen, ob das Ihre Bedürfnisse erfüllen würde .
Wenn ich Ihre Schilderung richtig verstanden habe, hat sich Ihr Kontakt zurück gezogen und erklärt, dass er keine Gefühle entwickelt hat.
Das ist sehr schmerzhaft und verletzend, gerade wenn man selbst verliebt ist. Aber nun kann man niemanden verliebt machen.
Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie sein Verhalten widersprüchlich und verletzend erleben und Erklärungen suchen. Gleichzeitig ist er jetzt ja sehr eindeutig in dem, was er für sich wünscht und was nicht.
Sie fragen, ob Sie ihm zu sehr auf die Pelle gerückt sind und er nicht mehr will, weil er Bindungsangst hast?
Es ist nur zunächst eine gute Idee, eine solche Lösung zu wünschen. Doch was verändert diese Pathologisierung an seiner Haltung? Leider nichts. Was das verändern kann, ist vielleicht Ihr Schmerz, weil Sie sich dann nicht mehr schuldig daran fühlen, dass Sie Schuld tragen an seiner Entscheidung keine Beziehung eingehen zu wollen. Und das ist sehr verständlich und auch kurzfristig vielleicht hilfreich, damit Sie zur Ruhe kommen können und sich nicht im Gedankenkarussell drehen müssen, was Sie hätten anders oder besser oder „richtig“ machen müssen.
Doch auch ohne diese Pathologisierung haben Sie nichts „falsch“ gemacht. Sie sind Ihren Gefühlen gefolgt und haben gehandelt, wie Sie es in diesem Moment für sinnvoll hielten. Sie waren mutig und haben sich eingelassen auf eine Verbindung – und mussten nun leider eine Enttäuschung erleben. Und das ist ungerecht. Und ich möchte Ihnen wünschen, dass Sie sich nicht frustrieren entmutigen lassen.
Und genau deshalb möchte ich Ihnen ans Herz legen, nach der Trauerphase um diese schönen Erfahrungen, die Sie machen konnten, wieder Ihren Selbstwert zu heilen und die Kontrolle zurückzuholen.
Wenn Sie beispielsweise nun, was viele in Ihrer Situation tun, sich zurückziehen, alleine warten und hoffen und Indizien sammeln, warum er vielleicht doch noch sich anders entscheiden könnte, um dann, wenn er vermeintlich sicherer geworden ist, ihn erneut zu kontaktieren. Sie haben das noch nicht getan und ich möchte Sie fragen: „Was hindert Sie daran, das zu tun, wenn Sie das tun möchten?“
Von anderen Klient:innen höre ich auf diese Frage häufig: „Weil ich Angst habe, dass er es einfach alles nur verdrängen will und weil er aus Prinzip keine Beziehung mehr eingehen will, weil er selbst so umgeht wieder verletzt zu werden.“
Also eine Erklärung für seine Bindungsangst, die Sie aber nicht für ihn heilen können. Das müsste er selbst wollen.
Hinzu kommt, dass Sie ja, selbst eine weitere Verletzung verhindern wollen durch ihn, denn Sie fürchten (vermutlich zurecht, muss ich Ihnen aus meiner Erfahrung sagen), ein solcher Rückzug würde ihn nicht umstimmen. Sie wissen das auch, Sie haben ihn ja kennen gelernt und können das vermutlich auch einschätzen.
Machen Sie sich bewusst bitte: Egal, was Sie tun, auf ihn haben Sie keinen Einfluss. Aber darauf, wie es Ihnen besser gehen könnte.
Gibt es etwas, das Ihnen einfällt, was Sie tun könnten, um nicht von seinen Entscheidungen abhängig zu sein? Denn das ist ja eine sehr hilflose Position, wenn Sie darauf warten müssen, dass er Sie glücklich macht? Wie wäre es, wenn Sie die Kontrolle übernehmen? Gäbe es etwas, was Sie dafür benötigen oder noch brauchen?
Wie könnten Sie denn die Kontrolle übernehmen? Indem Sie für sich entscheiden, was sich dauerhaft gut anfühlt für Sie. Im Moment hoffen Sie darauf, dass er diese Entscheidung für Sie trifft. Gleichzeitig sind Sie sicher, er trifft diese Entscheidung nicht.
Sie befinden Sie sich in einer sehr schmerzhaften Situation. Sie würden diesen Schmerz gerne loswerden und heilen. Kontrolle übernehmen würde bedeuten, Sie beschließen kleine Schritte, die Ihren Schmerz lindern können. Sie könnten mit Freund:innen etwas übernehmen. Sie könnten Dinge tun, die Sie schon lange angehen wollten. Sie könnten ganz neue Erfahrungen machen, indem Sie etwas tun, was Sie noch nie getan haben. Gab es früher ähnliche Situationen in Ihrem Leben? Was haben Sie da gemacht, was Ihnen geholfen hat? Könnten Sie das wieder probieren?
Um aus Ihrer Emotion der Trauer und des Verlustes herauszukommen, möchte ich Ihnen ans Herz legen, in die Aktion zu kommen. Verlassen Sie die Warteposition.
Wie geht es Ihnen mit diesem Gedanken?