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Der neue Kontakt meldet sich nicht mehr. Warum ist das so schmerzhaft? Wie kann man sich schützen? Warum Ghosting mehr ist als Feigheit

Es sind vor allem die Situationen, in denen Menschen sich hilflos und ohnmächtig fühlen, die besonders schmerzhaft wahrgenommen werden. Beim Ghosting kann ich als Verlassener nichts mehr tun, nichts mehr retten, nichts mehr sagen – alle meine gelenrten Konfliktstrategien laufen ins Leere: der Partner ist nicht mehr erreichbar. Weil es keine Erklärung gibt und uns das Ungeklärte immer besonders beschäftigt.

Verlust, Trennung und Tod sind sich gefühlsmäßig sehr ähnlich. Da wird eine Realität gegen eine neue ausgetauscht. Die eigene Wahrnehmung wird in Frage gestellt, Selbstzweifel werden größer: Wie konnte ich das nicht bemerken, dass er/sie gehen wollte? Was stimmt nicht mit mir, dass er/sie gehen wollte? Was stimmt nicht mit mir, dass ich das nicht bemerkt habe? Das sind ganz existenzielle Fragen.

Ghosting fühlt sich so hinterhältig an, weil es den Betroffenen ohnmächtig und hilflos zurücklässt. Dem bleibt nur, sich selbst und seine Verhaltensweisen in Frage zu stellen, da er keine anderen Antworten erhalten wird.

Plötzlicher Kontaktabbruch in der Kennenlernphase

Unser Gehirn funktioniert so, dass es Abschlüsse und Lösungen oder Erklärungen benötigt. Sonst läuft der „Task“ im Hintergrund weiter und belastet uns auch irgendwann im Alltag. In schlimmen Fällen gerät der Betroffene in eine Endlosschleife aus Grübeln und Rätseln, das sorgt für Stress und kann wiederum zu Depressionen oder Burn-Out-Symptomen führen.

Das menschliche Gehirn ist neugierig und kann es nicht gut ab, wenn es keine Antwort auf seine Fragen erhält. Deshalb wünschen sich Verlassene so dringlich eine Erklärung und einen Trennungsgrund – selbst wenn der schmerzhaft wäre, die Ungewissheit fühlt sich schmerzhafter an.

Der Verlassene fühlt sich wie ausgelöscht. Unwichtig und bedeutungslos, weil er mit seinen Kontaktversuchen ins Leere läuft. Das kann traumatisch erlebt werden. Stammesgeschichtlich war Verlassenwerden ein sicheres Todesurteil. Das prägt uns heute noch. Liebeskummer wird häufig belächelt, dabei kann man am „Broken Heart“ Syndrom tatsächlich sterben. Ich habe Klienten, die berichten von typischen Symptomen eines Schocks: Gewichtsverlust, Schwindel, körperliche Schmerzen, Appetit- und Schlaflosigkeit. Beim Ghosting kommen Ausgeliefertsein und Trennung zusammen.

Warum erklärt sich der Abbrecher eigentlich nicht?

Wer geht ohne Erklärung, der will sich nahezu immer schützen vor der Reaktion des Verlassenen. Das ist in den meisten Fällen sicher ein Stück weit Feigheit. Aber manchmal auch Selbstschutz. Ich kenne durchaus Fälle von Ghosting, bei denen nur der Verlassene das Gefühl hatte, eine Beziehung zu führen – der andere Partner war überzeugt, ganz deutlich gemacht zu habe, dass er kein Interesse hat. Zurückweisung erlebt niemand gerne und manche Menschen haben als Schutzstrategie entwickelt, Zurückweisung und ein Nein nicht zu akzeptieren

Nun ist das plötzliche Verschwinden kein neues Phänomen. Früher sprach man vom Zigaretten holen. Das Phänomen aber hat nun zumindest in Paarbeziehungen eine neue Aufmerksamkeit auf sich bezogen, seitdem es ein neues Wort für den Kontaktabbruch gibt: Ghosting – und: es scheint als ob das plötzliche Abtauchen heutzutage immer häufiger vorkommt. Woran liegt das? Mein Eindruck ist, dass das Phänomen auch medial an Fahrt aufgenommen hat. Kunstbegriffe wie Ghosting ersetzen bewährte Formulierungen wie beispielsweise Funkstille oder plötzliche Trennung, denn sie sind neu und seltener, was das Finden von Beiträgen im Internet erhöht. Dadurch entsteht aber auch eine Inflation solcher Begriffe – und so erscheint es dem Leser, das Phänomen wäre allgegenwärtig.

Aber in der Paarberatung und Paartherapie erlebe ich, dass Ghosting durchaus häufiger Thema ist. Das kann die mediale Präsenz sein, aber meine Vermutung ist durchaus, immer mehr Menschen fühlen sich betroffen. Und das geht interessanterweise in zwei Richtungen: einmal sprechen manche Menschen bereits von Ghosting, wenn sie nach dem ersten Date nie wieder etwas von dem Kontakt hören – und dann gibt es auch mehr urplötzliche Trennungen nach durchaus längeren Beziehungsphasen. Typisch für Ghosting ist ja ein kommentarloser Abschied nach etwa sechs Wochen, das ist ziemlich genau die Zeit, in der sich Menschen beim Kennenlernen entscheiden, ob sie mehr investieren möchten – oder das Glück mit jemand anderem versuchen wollen.

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Immer der Falsche – Unbewusste Beziehungsmuster erkennen
Sie sind romantisch und perfektionistisch
Ihre Überzeugungen, wie Ihr Partner sein soll und was eine Beziehung ausmacht, sind stark ausgeprägt. Sie wissen, was Sie wollen und nur wenn Sie ganz sicher sind, den Richtigen gefunden zu haben, lassen Sie sich auf Ihr Gegenüber ein. Weil Sie auf Ihre Gefühle hören und viel investieren, haben Sie zahlreiche schmerzhafte Enttäuschungen erlebt. Auch deshalb wollen Sie sich ganz sicher sein, dass Sie keinesfalls an den Falschen geraten. Wenn Sie nicht voll und ganz entflammt und verliebt sind, hat ein Kontakt bei Ihnen keine Chance. Sie wünschen sich nicht unbedingt die Liebe auf den ersten Blick, aber Sie sind überzeugt, dass es anfangs schon richtig Peng! machen muss, sonst wird sich daraus nichts entwickeln können. Sie haben dieses Glück auch bereits erlebt – doch danach zerbrach es, weil Sie ausgenutzt, belogen oder betrogen worden sind. Verliebtheit und Liebe sind jedoch ganz unterschiedliche Dinge. Liebe wächst und entsteht. Gemeinsam. In einer Beziehung wird mit der Zeit die Zuneigung stärker und gibt immer mehr Sicherheit und Geborgenheit. Peng! ist ein Feuerwerk, das rasch verpufft. Geben Sie auch Kontakten eine Chance, die nicht ganz perfekt sind. Sie sind es auch nicht, aber vielleicht passen Sie dennoch – oder gerade deshalb – perfekt zusammen!
Ihr Selbstwert ist verletzt und gering
Sie fühlen sich nicht wirklich liebenswert. Vielleicht ist dies eine Folge von Prägungen Ihrer Kindheit. Möglich dass Sie immer wieder erlebt haben, dass Sie nicht gut genug wären, dass Sie wertlos oder nicht liebenswert wären. Vielleicht hat aber auch Ihre Beziehungshistorie Sie glauben lassen, dass Sie nicht anziehend, attraktiv oder intelligent genug wären, um nicht betrogen zu werden. Sie fühlen sich oft alleingelassen, dabei empfinden Sie eine große Sehnsucht nach Geborgenheit und einer vertrauensvollen Bindung, die Ihnen das Gefühl gibt, bedingungslos geliebt zu werden. Aus dieser Position der Schwäche heraus sind vermeintlich starke Partner für Sie besonders interessant. Partner, die etwas ausstrahlen, die begehrt werden, denn davon wünschen Sie sich etwas ab, das würde Sie bestätigen und gut fühlen lassen. Doch diese Partner sind meist in Wirklichkeit gar nicht so stark, wie sie scheinen. Sie haben im Gegenteil oft Selbstzweifel, gegen die sie ein Mittel kennen: Anerkennung von anderen. Deshalb suchen, finden und wählen diese Menschen Partner, die sich ihnen zuliebe sehr viel Mühe geben, die bereit sind, sich für sie anzupassen und zu verändern. Die Folge: Sie werden erneut verletzt und verlieren erneut Selbstvertrauen. Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, müssen Sie Ihr Selbstwertgefühl stärken. Nennen Sie es Ihr Inneres Kind, das erst heilen muss, damit Sie wieder furchtlos und mutig stark werden. Denn dann werden Sie nicht länger Menschen anziehen, die aus Ihrer Schwäche ihre eigene Stärke ziehen und Ihre Energie "aussaugen" und Sie wie eine leere Hülle zurücklassen, wenn Sie keine Kraft mehr haben – oder sogar aggressiv, manipulativ oder gewalttätig werden, wenn Sie sich aus deren Einfluss zurückziehen wollen. Möglicherweise gelingt Ihnen dies auch nur mit Unterstützung. Dann lassen Sie sich helfen, denn das Leben ist zu kurz für unglückliche Beziehungen.
Sie verhindern Nähe bewusst oder unbewusst
Sie wünschen sich eine Beziehung – aber Sie fürchten sich auch vor ihr. Denn Sie sind – vielleicht nur insgeheim – überzeugt, dass Nähe und Offenheit vor allem zu Verletzungen führt. Dieses Phänomen wird auch aktive oder passive Beziehungsverweigerung genannt. Der aktive Beziehungsverweigerer weiß recht genau, dass er niemanden so nah an sich herankommen lassen möchte, dass dieser ihn verletzen könnte. Er muss keinen solchen Test machen, deshalb ist wahrscheinlicher, dass Sie zu den passiven Beziehungsverweigerern gehören. Das mag für Sie überraschend klingen, denn eigentlich sehnen Sie sich doch so sehr nach Nähe und Zuneigung. Aber Sie sind perfekt darin geworden, diese Nähe zu sabotieren, so dass nicht einmal Sie wirklich bemerken, welche Muster ablaufen. Es kann beispielsweise sein, dass Sie sich nur einlassen mit Menschen, die Ihnen von Vornherein versichern, nur an Ihnen allein und an einer langfristigen Beziehung interessiert zu sein. Damit verhindern Sie, dass Sie sich nicht vergeblich bemühen und große Gefühle sich entwickeln können. Doch Sie erreichen damit, dass Ihr Kontakt sich unter Druck gesetzt fühlt und sich zurückzieht. Vielleicht erfüllt aber auch niemand Ihre hohen Ansprüche. Lieber bleiben Sie allein, als dass Sie Kompromisse und Risiken eingehen würden. An allen etwas auszusetzen zu haben, ist eine sehr effektive Methode, niemanden an sich heranzulassen und ein Zeichen von tiefen Verletzungen, die sie höchstwahrscheinlich in Ihrer Kindheit erlebt haben. Aber Sie sind jetzt erwachsen, Sie können anders reagieren, Sie können sich wehren, Sie können ganz anders verhandeln, nämlich auf Augenhöhe! Sie müssen einem Partner eine Chance geben, wenn Sie eine Beziehung eingehen wollen. Mit seinen Forderungen und Verhaltensweisen können Sie heute ganz anders umgehen als früher.

Tragen das Internet und Tinder Schuld an Ghosting?

Sind Menschen einfach immer massiver auf der Suche nach der besseren Option? Gibt es tatsächlich – oder scheinbar – zu viele Optionen? Ist Ghosting eine Frage der Verbindlichkeit? Immer wieder wird beim Dating der Versuch mit den zu vielen Joghurt-Bechern im Kühlregal zitiert: Zu viel Auswahl verhindert eine Entscheidung. Nun ist ein Partner kein Joghurt und eine Beziehung befriedigt ganz andere Bedürfnisse. Bei der Partnersuche geht es um den Wunsch nach Bindung und damit sind wir beim Bindungsverhalten. Das halte ich für den Auslöser der wachsenden Probleme bei der Partnersuche, denn es geht nun um das Spannungsfeld von Bindungsangst und Verlustangst. Wir leben in einer Zeit, in der diese Ängste zunehmen und meiner Meinung nach hat das stark mit den vielen Beziehungserfahrungen zu tun, die wir heute im Leben machen.

Alle Beziehungen enden mit Trennungen und jede Trennung verletzt den Selbstwert. Gegen verletzten Selbstwert entwickeln Menschen Schutzstrategien, um diese Verletzungen zukünftig zu vermeiden. Diese Schutzstrategien unterscheiden sich nach den individuellen Glaubenssätzen. Wer überzeugt ist, nicht genug zu sein, dass man sich Liebe verdienen muss, der wird ein ängstliches Bindungsverhalten zeigen, sich also um Liebe bemühen, dem Partner immer wieder zeigen wollen, wie liebenswürdig man wäre. Wer jedoch überzeugt ist, dass nur die Kontrolle über sich selbst, also Autonomie und Selbstbestimmung, zu einem Ziel führt, zeigt ein vermeidendes Bindungsverhalten. Es stehen sich hier als Verlustangst und Bindungsangst gegenüber, aber es sind die zwei Seiten der gleichen Medaille, nämlich dem verletzten Selbstwert. Was gut erfoscht ist, wie sehr sich diese Typen gegenseitig anziehen. Denn der vermeidende Typ erhält Anerkennung durch den ängstlichen Typ. Und der ängstliche Typ kann aufgehen in seinem Bedürfnis, sich zu bemühen, da sich das Gegenüber grundsätzlich zurückziehen wird, wenn es im wieder zu eng wird.

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Eric Hegmann ist Paartherapeut, Single-Coach und Autor. Er hat über ein Dutzend Bücher zu Liebe, Partnerschaft und Partnersuche veröffentlicht. Er ist Co-Gründer der Modern Love School .

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