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Konflikte lösen und weniger streiten: Wie Sie mit Hilfe der Emotionsfokussierten Paartherapie eine ganz neue Streitkultur entwickeln können – wenn Sie wagen, sich auf Ihre Ängste einzulassen. Mit Video
Inhaltsübersicht
Die Emotionsfokussierte Paartherapie
Wenn wir davon ausgehen, dass der Wunsch nach Bindung dem Menschen als sozialem Wesen eingebrannt wurde, wie es die Bindungstheorie nach John Bowlby beschreibt, dann ist verständlich, dass bereits die Aussicht auf kurzzeitigen Verlust der sicheren Bindung zum Beziehungspartner für Angst und Panik sorgt. In einer Liebesbeziehung stehen immerzu diese Fragen an den Partner im Raum:
- Kann ich mich auf dich verlassen?
- Bist du für mich da?
- Nimmst du mich wahr?
- Bin ich dir wichtig?
Werden diese Fragen – möglicherweise auch nur durch einen Verdacht – mit Nein beantwortet, löst dies eine Sequenz von Reaktionen aus.
- Einschätzung: diese geschieht im limbischen System, der Amygdala und ist instinktiv
- Physiologisches Arousal: beispielsweise Herzrasen, erhöhter Blutdruck, Schweißbildung
- Erneute Einschätzung: jetzt erst greift der „analytische“ Teil in uns, der Neokortex, und prüft den Ersteindruck
- Handlungstendenz: bspw. Flucht oder Angriff
Die kanadische Professorin Dr. Sue Johnson hat mit ihrer Emotionsfokussierten Paartherapie den drohenden Verlust von Bindung zum Partner, der sowohl sicherer Hafen sein soll, von dem aus die Welt erkundet wird, als auch der Fels in der Brandung, der Halt und Sicherheit geben kann, zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Therapieform gemacht – basierend auf der Bindungstheorie.
Nicht nur sie, auch Professor John Gottman, der mit basierend auf seinen 40jährigen Forschungen mit seiner Frau Julie Schwartz Gottman ebenfalls eine bewährte Paartherapie geschaffen hat, legen ihren Blick auf die ständigen „Bid for Connections“, also Bemühungen um Verbindung in einer Liebesbeziehung. Es ist sicher kein Zufall, dass seine Interventionen genauso wie die von Dr. Sue Johnson zu den wenigen wissenschaftlich überprüften gehören: die Bindungsforschung wird kein seriöser Wissenschaftler heute mehr anzweifeln, so gut wurde sie immer wieder klinisch getestet.
Vermeidendes Bindungsverhalten trifft auf ängstliches Bindungsverhalten
Menschen, die eher zur Überzeugung neigen, Liebe müsse verdient werden oder sie seien lästig und nicht gut genug, entwicklen vielfältige Strategien, um gehört oder angenommen zu werden. Menschen, die eher überzeugt sind, nur sie selbst könnten sich um sich am Besten kümmern und ihre Autonomie und Ihre Selbstbestimmung seien ihre Chance, Verletzungen zu entkommen, können auf diese Strategien jedoch meist nur mit Flucht und mit schlechtem Gewissen wegen dieser Flucht reagieren. Es entsteht eine häufig extrem schmerzhafte Forderungs-Rückzugs-Dynamik, die in der Emotionsfokussierten Paartherapie „der Tanz“ genannt wird. „Richtig“ streiten wird dann unmöglich.
Solange das Paar die Musik nicht ändert, bleibt der Tanz gleich. Und hier setzt die EFT an: dem Paar zu helfen, eine neue Musik zu finden und aufzulegen und wieder eine sichere Bindung zueinander zu finden.
Beispiel Patricia und William
In der Emotionsfokussierten Paartherapie gibt es das Paar Patricia und William, das exemplarisch für eine Beziehung steht, die von einer Protest-Rückzug-Dynamik geprägt ist. Vereinfacht formuliert bedeutet dies, dass ein Partner seinen Wunsch nach emotionalem Kontakt mit so viel Nachdruck versieht, dass der andere Partner sich immer mehr verschließt – was zu noch mehr Druck führt und eben noch mehr Rückzug.
Patricia und William wollen in diesem alltäglichen und daher recht banalen Beispiel ein neues Sofa kaufen. Sie stellen fest, dass sie ganz unterschiedliche Vorstellungen haben. Patricia, selbst Designerin, versucht irgendwann das Argument anzubringen, dass ihr Favorit im aktuellen Trend liege. William argumentiert mit praktischen Gründen dagegen. Die Diskussion wird anstrengend und Patricia bringt schließlich ein, dass sie als Expertin doch sein Vertrauen verdienen würde. William entscheidet sich, dass ihm die Beziehung wichtiger wäre, als sich durchzusetzen, und läßt seiner Partnerin ihren Willen und zieht sich zurück. Patricia bemerkt verunsichert sein verändertes Verhalten und dass William nicht zufrieden ist. Sie fragt ihn daher wiederholt, ob er wirklich einverstanden sei mit ihrer Wahl. Er beteuert, alles sei in Ordnung, doch mehr kann sie ihm nicht entlocken und er zieht sich immer weiter zurück.
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Die Protest-Rückzug-Dynamik
Die Interaktion des Paares ist sehr typisch. Es kommt zu einem Konflikt, der unlösbar scheint (oder ist, denn wie Professor Gottman nicht müde wird zu betonen, dass die Mehrheit aller Paarkonflikte nicht durch einen Kompromiss lösbar sind, die beide Partner gleichermaßen zufrieden zurücklassen), versucht Patricia, Argumente anzubringen, um William von ihrer Sichtweise zu überzeugen. Als dies nicht gelingt, legt sie mit etwas Persönlichem nach, ihrem Fachwissen. Sie erhöht sich, wertet gleichzeitig William ab.
William gewinnt den Eindruck, dass seine Partnerin seinen Geschmack nicht teilt und ihn nicht ernst nimmt. Er ist gekränkt, verbirgt dies aber, indem er auf Argumente setzt. Damit kommt er nicht weiter. Schließlich knickt er ein, dem Frieden zuliebe. Er kapituliert, um einen größeren Konflikt zu vermeiden, was einen bitteren Nachgeschmack mit sich bringt. Er zieht sich zurück, grübelt über das Geschehene, fragt sich, wie oft er in Zukunft noch zurückstecken muss.
Natürlich geht der Konflikt längst nicht mehr um das Sofa, so wie es bei ähnlichen Anlässen nicht um die Sache an sich geht, sondern um die Beziehung – und um die Ängste der Partner.
Patricia sagt nicht, dass Meinungsverschiedenheiten mit ihm sie verunsichern, dass ihr solche Konflikte Angst machen, sondern sie greift zu den Werkzeugen, die sie bisher genutzt hat, um diese schmerzhaften Gefühle zu vermeiden: Sie bezieht Position und geht auf Konfrontation. Ihr Ziel ist, wieder eine gemeinsame Wellenlänge zu finden und die Verbindung zu William wiederherzustellen – indem sie auf ihrer Haltung beharrt, in der Hoffnung auch eine Einigung, die nur möglich ist, wenn er sich überzeugen lässt, würde den Konflikt aus der Welt schaffen.
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Ängste: Worüber Paare viel zu selten sprechen
William sagt nicht, dass er sich selbst und die Beziehung vor Verletzungen schützen möchte und deshalb gegen seine Überzeugung ihrem Willen zustimmt, sondern er verdrängt seine Wünsche, obwohl sich das nicht richtig anfühlt. Er zieht sich innerlich zurück, weil er die Distanz zwischen ihnen nicht vergrößern möchte. Um nichts Falsches zu sagen, sagt er lieber nichts mehr. Auch als sie ihn immer wieder fragt, ob alles in Ordnung sei, antwortet er wider besseren Wissens und gegen seine Gefühle, halbherzig mit Ja.
Diese und ähnliche Situationen wiederholen sich in ihrem Muster immer wieder. Patricia befürchtet, nicht zu William durchzudringen, das macht ihr Angst, also erhöht sie den Druck. William wäre lieber einer Meinung mit ihr, er befürchtet, sie würde ihn weniger lieben, würden größere Unterschiede sichtbar werden. Er setzt auf Argumente und verdrängt seine Gefühle.
Je mehr er sich zurückzieht, umso mehr Druck baut sie auf. Dieser Interaktionszyklus nährt sich selbst und ist eine Endlosschleife, wie sie von Professor Scott Woolley eingeführt wurde.
Ganz häufig erlebe ich diesen Zyklus in der Beratung, wenn es um die emotionalen Verbindung am Ende eines Arbeitstages geht. Ein Partner wünscht sich, seine Batterien aufzutanken durch Kontakt zum Partner, durch Austausch und Gespräch mit ihm. Der andere Partner lädt seine Batterien auf, indem er sich in Ruhe sammelt, ohne jegliche Interaktion, um wieder Energie für Austausch aufbringen zu können.
Partner A fordert emotionalen Austausch ein, Partner B zieht sich immer weiter zurück, um Ruhe zu finden. Partner A hat Angst, die Bindung zu verlieren – ebenso Partner B. Sie nutzen nur unterschiedliche Werkzeuge, um mit dieser Angst umzugehen. Hat sich ein solches Muster erst einmal gefestigt, kommen die Partner kaum alleine und ohne Unterstützung da wieder raus.
Denn negative Zyklen halten sich selbst in Gang. Partner A will Nervosität, Angst und Verletztheit vermeiden durch gelernte und geprägte Schutzstrategien und den daraus resultierenden Verhaltensweisen wie Überzeugen, Fordern, Vorwürfe machen und Nachbohren. Partner B, sowieso schon von Unruhe und Besorgnis geplagt, greift dadurch nun zu seinen gewohnten Schutzstrategien, die wiederum die Endlosschleife am Leben erhalten. Sein Umgang mit schwierigen Situationen ist eine Reaktion auf eine gefühlte Bedrohung, was wiederum den Umgang mit schwierigen Situationen in bewährter Form beim Partner auslöst.
Was machen Verfolger?
- nachbohren
- fordern
- meckern
- klammern
- Vorwürfe machen
- abwerten
- laut werden
- aggressiv werden
- kontrollieren
Was machen Rückzieher?
- bagatellisieren
- halbherzig zustimmen
- Problem weglachen
- Konflikt vertagen
- nicht reagieren
- schweigen
- ablenken
Auf Stress durch eine gefühlte Bedrohung reagieren Menschen mit Flucht, Gegenangriff oder Starre. Evolutionär hat sich das durchgesetzt. Die Gehirnregionen, die abwägen und analysieren, sind stammesgeschichtlich jünger, bevor sie erreicht werden, wurde bereits das Stressprogramm ausgelöst.
Im Streit kann sich der Angriff als Verfolgung darstellen, als Dranbleiben und nicht Nachlassen in seiner Bemühung. Dabei sind diese Verhaltensweisen nicht nur kontraproduktiv, sie zahlen auch wenig auf den Ursprung der Emotion ein: die Angst, die Bindung zu verlieren, womöglich verlassen zu werden. Wären wir offen und ehrlich, müssten wir eigentlich sagen: „Bitte zieh dich nicht zurück, sich habe Angst, dass du mich jetzt alleine läßt mit meiner Furcht.“
Dann könnte der Partner, der sich zurückzieht, sagen: „Es bereitet mir Sorge, dass wir scheitern, wenn wir uns nicht einigen können. Mich macht nervös, wenn du unzufrieden bist. Ich versuche, unser Problem zu lösen, wenn ich mich zurückhalte.“
Wie kommen Sie da raus, wie unterbrechen Sie den Zyklus?
Zunächst können Sie versuchen, kognitiv dagegen zu steuern. Das bedeutet, Sie erkennen Ihr Verhalten, Sie ertappen sich und Ihren Partner bei diesem Tanz, sprechen an, was Sie tatsächlich fühlen und verlassen sich ganz und gar auf die Beziehungsebene Ihres Konflikts.
Sie können hier ein Dokument herunterladen und ausdrucken, das Sie in einer solchen Situation gemeinsam ausfüllen. (Hier finde Sie die Vorlage mit dem Muster von Patricia und William.) Sie werden sicher feststellen, dass dies bereits hilfreich ist, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln, also Bindung herzustellen – das, worum es letztlich immer geht: Statt aus Furcht vor Verlust des Zusammenhaltes die Kluft zu vergrößern, erhöhen Sie die Kontaktflächen. Das löst nicht Ihre unterschiedliche Haltung, die zum Konflikt geführt hat, aber bringt sie näher zusammen, um dann gemeinsam eine Lösung zu finden. Denn nur durch Nähe lässt sich Nähe finden. Distanz führt nicht zu Nähe.
Sind Sie sehr festgefahren in einem solchen Zyklus, dann sollten Sie Unterstützung durch Paarberatung und Paartherapie suchen. Dort können Sie lernen, richtig zu streiten – und sich wieder zu versöhnen. Denn in einem sicheren Rahmen einer Beratung können Sie den Dingen auf den Grund gehen, die Ihre Verhaltensweisen erst steuern.Sie untersuchen, woher die Werkzeuge beziehungsweise Ihre Verhaltensweisen kommen, mit denen Sie sich vor Verletzungen schützen wollen. Sie „legen eine neue Musik auf“ – und Sie lösen Ihre Probleme nicht länger wie Gegner, sondern wie Liebende.
Wie Emotionsfokussierte Paartherapie abläuft
Es gibt ein sehr konkretes Raster des Beratungsablaufs, an das sich ein EFT-Therapeut hält, wobei es immer wieder erforderlich sein wird, dass ein Schritt wiederholt werden sollte. Es handelt sich um drei Phasen, die untergliedert sind in einzelne Schritte mit passenden Interventionen.
Phase I: Deeskalation der sich wiederholenden, schmerzhaften Verhaltensweisen
In dieser Phase schafft der Paartherapeut zunächst eine sichere Umgebung für das Paar, in der es sich vertrauensvoll öffnen kann und der optimistische Blick auf die Beziehung und positive Gemeinsamkeiten gestärkt werden. Im Vordergrund steht die Deeskalation negativer Verhaltensweisen. Die Dynamik wird als Grund benannt, der zur Distanz führt, nicht der einzelne Partner oder sein Verhalten. Der Beziehungs-„Tanz“ soll verändert werden.
Phase II: Stärkung der emotionalen Verbindung
Diese Phase konzentriert sich auf die emotionale Verbindung des Paares und stärkt sie, weil sich die Partner neu verstehen und ihre Wünsche, Bedürfnisse und Ängste akzeptieren können. So entsteht wieder Engagement und Commitment für die Beziehung und den Partner. Der „Tanz“ bekommt eine neue Musik.
Phase III: Üben und Festigen der Erkenntnisse und Integration in den Beziehungsalltag
In dieser Phase werden neue Lösungen für die alten Probleme formuliert und umgesetzt. Diese werden verinnerlicht, um sie im Beziehungsalltag abrufen und verwenden zu können. Der „Tanz“ hat sich verändert und ist neu.
Quellen:
- Eric Hegmann: Emotionen – Wozu sie gut sind wie Paare Gefühle zeigen können
- Susan Johnson: Praxis der Emotionsfokussierten Paartherapie
- Veronika Kallos-Lilly: Wir beide – Das Arbeitsbuch zur Emotionsfokussierten Paartherapie
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